Sonntag, 28. April 2013

Teil 2, Und ewig kriechen die Lobbyverbände aus ihren Löchern

Die aufgeklärte Weisheit
 als Minerva schützt die
Gläubigen aller Religionen,
 Daniel Chodowiecki, 1791,
 Quelle:  Wikimedia
Wie im ersten Teil von "Und ewig kriechen die Lobbyverbände aus ihren Löchern" geschrieben, hatte zeitgleich mit der "Don't fuck with Music"-Kampagne der Musikindustrie auch die Verwertungs- und Lobbygesellschaft VG Wort eine eigene unter dem Namen "Wir geben 8 aufs Wort" veröffentlicht.

Zu den von der VG Wort vor den Karren gespannten Autoren gibt es sehr aufschlußreiche Beiträge. So schreibt Dirk van Gehlen "Tatsächlich mehr 8 geben" über das wunderliche Gebahren des Denis Scheck. Und Markus Kompa untersucht in "Ist Eckart von Hirschhausen ein Pirat?" die Rolle von Eckart von Hirschhausen.

Im letzten Beitrag habe ich versucht die Aussagen der Musikindustrie zu analysieren, hier soll es jetzt nur um die von der VG Wort in die Welt gesetzten Thesen gehen.

Schade ist, daß die Urheber und Autoren sich immer noch von den Verwertern vor den Karren spannen lassen. Denn der Kampf lautet eigentlich nicht "Urheber gegen Nutzer", sondern "Welche Rolle spielen heute noch Verwerter?", insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß die VG Wort wohl ihren Autoren Gelder vorenthält.

1. Mein Werk gehört mir


Wenn man die volle These so liest, möchte man als aufgeklärter Mensch den Kopf nicken und sagen "Jep, Recht habt ihr!". Doch im letzten Satz steht: "Für eine gesetzliche Beschränkung des Urheberrechts zu Gunsten von „Mashups“ oder „Remixes“ besteht kein Anlass."
Doch gerade Mashups und Remixes bedürfen einer Regelung! Es entsteht ein neues Werk analog zu einer Collage, bei der hunderte von verschiedenen Audio-, Video- und Textschnippsel zu einem neuen Werk zusammengesetzt (sh. 9 Thesen zur Remix-Kultur) werden. Müsste ein Künstler Verhandlungen mit jedem Urheber dieser Schnippsel führen, wäre er zu Staub zerfallen ohne ein Werk überhaupt nur begonnen zu haben.

Auch historisch wäre ein Verbot von Mashups und Remixes nur schwer zu begründen. Wenn wir uns das Musikgenie Mozart anschauen: seine besten Werke enthalten Adaptionen anderer zeitgenössischer Musiker. So stammt zum Beispiel die Overtüre zur Zauberflöte von Muzio Clementis Klaviersonate B-dur op.24,2.


2. Digitale Privatkopien sind erlaubt, aber zu bezahlen


Dieser Punkt ist wohl mit Absicht diffus mißverständlich gehalten. Der Beitrag weißt darauf hin, daß über die pauschale Geräteabgabe eine gewisse Entschädigung an die Künstler fließt, damit in den Fällen, wo das Recht dem Urheber  Schranken erläßt, ein Ausgleich stattfindet. Durch die Betonung auf "Digitale Privatkopien sind erlaubt, aber zu bezahlen" wird suggeriert, daß digitale Privatkopien bisher von den Pauschalabgaben nicht erfasst werden.

Dem ist jedoch nicht so! Auf allen Datenträgern und kopierfähigen Laufwerken wird eine Pauschale erhoben. Wer heute einen DVD-Brenner für 40€ erwirbt, bezahlt dabei alleine knapp über 10€ Urheberrechtspauschale.  Eine komplette Übersicht findet sich ua. bei Wikipedia.


3. Hände weg von Schutzfristen


In dieser These stehen einige Aussagen, die man nicht so stehen lassen kann.

So heißt es dort ua.: "Die Vorschläge im politischen Raum für eine Verkürzung der gesetzlichen Schutzfristen stoßen auf völliges Unverständnis der Urheber. Eine Schutzfristenverkürzung würde das geistige Eigentum der Urheber massiv entwerten."
Wen man sich mit Schutzfristen beschäftigt, dann muss man die Frage beantworten, was geschützt werden soll, wem der Schutz nützt und wem nicht.
Grundsätzlich sollte das Urheberrecht einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, den Interessen der Nutzer und den Interessen der Verwerter bieten.
Wenn man sich die Geschichte anschaut, so war das Urheberrecht ursprünglich ein Schutzrecht für Druckereien, damit diese ihre Investitionskosten wieder hereinholen können und sogenannte "Raubdrucke" unter Strafe gestellt werden.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Urheberrecht auch zu einem Autorenrecht. In den schon damals hart geführten Debatten kann man nachlesen, daß man über den Schutz der Autoren diese ermutigt Vielfalt in die Kulturlandschaft zu bringen.

Unterstellt man nun, daß ein Autor von seinen Werken leben soll, was auch in der heutigen Zeit nur einer Handvoll gelingt, so stellt sich als erstes die Frage, warum sollen Schutzfristen über den Tod des Autors 70 Jahre(!) hinaus gelten? Selbst wenn man den Kindern des Autors etwas Gutes tun will (in Wahrheit will man das nicht), warum würden dann nicht 10 oder 20 Jahre nach dem Tode ausreichen?

Schaut man sich die Verwertungszeiträume an, sprich: Wie lange kann das Werk kommerziell vermarktet werden, so kommen Studien zum Schluss, daß nach 10 bis 20 Jahren in der Regel die Werke vermarktungstechnisch erschöpft sind.

Katastrophal wird es, wenn man sich dann noch anschaut, welche Lücke überzogene Schutzfristen im kulturellen Erbe hinterlassen können.

Die Aussage "Natürlich kann Sacheigentum und geistiges Eigentum nicht einfach gleichgesetzt werden." stimmt, die Ergänzung: "Aber auch das geistige Eigentum ist verfassungsrechtlich geschützt" ist nicht belegbar. Der Begriff "geistiges Eigentum" findet sich nicht im Grundgesetz oder im BGB wieder.

Die Behauptungen "Es trifft nicht zu, dass die bestehenden Schutzfristen lediglich den Verwertern zu Gute kommen. Jede Verkürzung des Urheberrechts schwächt auch die Position des Urhebers. Ohne Urheberrecht hat er nichts, worauf er sich gegenüber Dritten berufen kann." Und: "Auch Urheber wollen ihren Erben etwas hinterlassen. Häufig genug handelt es sich bei ihren geschützten Rechten um die zentralen Vermögensgegenstände. Dabei muss es bleiben." habe ich oben schon hinterfragt.
Wer dennoch zustimmen möchte, sollte sich mal fragen, was ein Friseur seinen Kindern, Kindeskindern und Kindeskindeskindern für die nächsten 70 Jahre zu hinterlassen vermag.

4. Das Urheberrecht schützt die Kreativen


Wie oben schon geschrieben, regelt das Urheberrecht nicht nur die Rechte des Urhebers, sondern auch die Einschränkungen dieser, um den Bestand und die Aufnahme von Werken in den Kulturschatz unserer Gesellschaft zu sichern.

Es ist nicht so, daß einem Urheber sich eine Idee als Blitz aus dem Nichts materialisiert, ohne daß dieser nicht vorher von anderen Ideen, von alten Geschichten, Liedern, Metaphern, Handwerken, Diskussionen beeinflusst worden sei.
Kultur baut auf Kultur auf, Wissen auf Wissen. Die Schaffung eines Werkes ist ein holistischer Prozess. Was wäre eine Serie wie "Big Bang Theory", wenn sie keine Anspielungen auf Gene Roddenberry, Douglas Adams und Stan Lee enthielte?


5. Fair-Use ist nicht fair


Die Warnung vor der Einführung einer Fair-Use Regelung ist pure Panikmache. Wie die Kampagne selbst richtig feststellte, gibt es bereits heute mannigfach pauschale Geräte- und Medienabgaben. Diese würden auch bei einer Fair-Use-Regelung gelten. Der Vorteil von Fair-Use wäre gerade, daß sich das Urheberrecht vereinfachen würde. Und ein einfacheres, gerechtes Urheberrecht wird dann von den Nutzern, ohne das die Urheber Schmerzen leiden, wieder akzeptiert werden können.


6. Verwertungsgesellschaften


Bei diesem Punkt mag ich gar nicht groß widersprechen. Nur hat leider in den letzten Jahren gerade bei den großen Verwertungsgesellschaften, wie der GEMA oder VG Wort eine Selbstbedienungsmentalität Einzug gehalten, die den Anspruch "Treuhänder der Autoren und Verlage" zu sein nicht gerecht wird.
Siehe dazu:


7. Lizenzieren, Lizenzieren, Lizenzieren


Nun, langsam scheint es in den Köpfen der Verwerter Klick zu machen und folgerichtig kommen sie zum Schluß, daß man dem Nutzer Angebote machen muß und sich nicht auf überholten Geschäftsmodellen ausruhen kann.
Hier bleibt nur ein Bravo! Weitermachen! zu wünschen.


8. Aufklärung ist erforderlich


In diesem Punkt sind wir uns wahrscheinlich einig, nur daß wir unter Aufklärung vermutlich nicht dasselbe verstehen.

Wichtig ist, Urhebern wie Nutzern klar zu machen, daß das heutige Urheberrecht ein Relikt vergangener Jahrhunderte ist. Wenn wir als Gesellschaft daran festhalten, geht unsere Kultur verloren.

Diese Zeit bietet ungeahnte Möglichkeiten. Durch das Zusammenwachsen der Welt entstehen neue Arten von Kultur. Das gemeinsame Schaffen von neuen Formen, das Teilen von Ideen, das Kommunikative Miteinander würde, einem zarten Pflänzchen gleich, durch das Festhalten an alten Mustern, zertreten werden.

Aufklärung ist erforderlich! Eine neue Aufklärung, ein neues Zeitalter mit neuem Wissen! Ein Zeitalter, in dem der aufgeklärte, gebildete Mensch eine stärkere Rolle spielt als Partikularinteressen einiger Verwerterverbände.

Donnerstag, 25. April 2013

Teil 1, Und ewig kriechen die Lobbyverbände aus ihren Löchern

Update 2013-04-26

Gestern kurz vor Mitternacht hatte die Lobby-Kampagne der Musikindustrie leider Erfolg. Gestützt durch Abgeordnete der Grünen (ja, das waren die, die sich mal gegen Schutzfristverlängerungen ausgesprochen hatten!) wurde der Regierungsentwurf zur Verlängerung der Schutzdauer für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller von 50 auf 70 Jahre(!) durchgedrückt.

Zitat Heise Online: "Diese Regelung wird etwa für jene gelten, die beim einspielen eines Albums beteiligt sind. Genauso lang soll künftig aber auch der Schutz der Urheberrechte von Komponisten und Textern währen. Die SPD enthielt sich bei der Abstimmung, die Linke votierte dagegen. Bei Musikwerken mit einem Komponisten und einem Texter soll die ausgedehnte Frist mit dem Tod des zuletzt Verstorbenen beginnen… …Eine Aussprache im Plenum fand angesichts der vorgerückten Stunde kurz vor Mitternacht nicht mehr statt, die vorgesehenen Reden gingen nur zu Protokoll."

Peinlich, nein, enttäuschend ist das Verhalten der Grünen.  Nochmal Heise: " Die Grünen monierten, dass die Verlängerung politisch problematisch sei, da sie zu Lasten der Interessen der Verbraucher sowie der eigentlichen Werkschöpfer gehe. Sie hätten sich trotzdem entschieden, die Umsetzung der EU-Vorgaben mit dem Entwurf zu unterstützen."

Fazit: Wenn das  Urheberrecht nicht endlich auch Nutzer gerecht reformiert wird, braucht sich keiner wundern wenn sich diese radikalisieren. Ich würde es verstehen.

Dieser Tage war es wieder soweit. Die Musikindustrie hat eine Handvoll darbender Musiker, wie Sven Regener zusammen getrommelt und beweint auf ihrer Facebookseite(!) unter dem theatralischen Titel "Don't fuck with Music!" wiederholt den Untergang des Abendlandes (warum es nicht untergeht steht hier).

Nahezu gleichzeitig hat die Verwertungsgesellschaft VG Wort(!) unter http://wir-geben-8.net ihrer Angst, die Schutzdauern könnten reduziert werden, Ausdruck verliehen.

Betrachten wir mal die beiden Kampagnen bei Tageslicht.

Don't fuck with music! Antwort als Fan

Wenn man vom idiotischen Titel absieht und auf die Webseite klickt, findet man
dort folgende Statements an die Fans:

"Das Internet soll Musik fördern, nicht verheizen."


Dem Internet ist Musik erstmal völlig egal. Daten sind Daten und wir können das Internet nicht kontrollieren, ohne es zu zerstören. Das Internet  funktioniert nur als Medium. Es fördert weder Musik noch verheizt es welche.  Es transportiert Daten von A nach B und zurück. Es sorgt dafür, daß die Welt  zu einem Dorf wird. Wenn wir Schlagbäume aufstellen, wird jeder sein Päckchen  herausholen und wir haben die virtuelle Kleinstaaterei. Und eine Große Mauer wie in China will keiner!

"Wir freuen uns über die Verbreitung unserer Musik. Aber fragt  bitte vorher." 


Warum das denn? Wenn Musik veröffentlich wurde, ist sie  veröffentlicht. Und ich werde meinen Freunden gute Musik weiterempfehlen und  schlechte nicht.

Und wenn ihr Euch über Verbreitung freut, macht gute Musik und diskriminiert  nicht Eure Fans, zB. weil sie Konzernmitschnitte anderen Eurer Fans zur verfügen stellen. Ohne Fans seid ihr nichts. So einfach!

"Musik illegal runterzuladen ist leichter als Fahrräder klauen, aber  nicht richtiger." 


Das Gegenteil ist der Fall. Musik legal herunterzuladen ist  heute, da hat die Musikindustrie durch itunes auf die harte Tour gelernt,  deutlich einfacher als in irgendwelchen Foren und Torrents zu stöbern.

"Wer etwas schafft, verdient Respekt. Wir schaffen gute Musik." 

Seid ihr sicher, daß diese Aussage an die Fans gerichtet ist? Wer, wenn nicht der Fan weiß denn Eure Musik zu würdigen? Oder meint ihr gar nicht "Respekt", sondern vielleicht Geld?
Um mal Klartext zureden, macht gute Musik,  behandelt Eure Fans nicht wie Kriminelle, dann bekommt ihr Respekt!

"Auch unsere Partner in der Musikbranche verdienen Respekt. Ohne sie können wir unsere Musik nicht machen." 


Hier gilt das eben gesagte.

"Es kostet viel Geld und Zeit, Musik zu schreiben, zu produzieren  und aufzunehmen. Währenddessen haben wir kein Einkommen durch Jobs oder  Konzerte."


Das ist eine Nebelkerze. Schon immer in der Geschichte der Kunst war der Großteil der Künstler darauf angewiesen, ihre künstlerischen  Ambitionen durch schnöden Broterwerb zu finanzieren. Nur den wenigsten war es vergönnt von einem Mäzen gefördert zu werden.
 Heute geht es der großen Masse  der Künstler relativ gut, sie verhungern nicht, sei es, weil noch Geld aus  früheren Veröffentlichungen, aus Rückfluss durch Urheberrechtsabgaben, Vorschüsse oder, wenn es gerade wirklich schlecht läuft, vom Sozialamt  fliesst. Anders gesagt, nehmt Euch nicht wichtiger als die Krankenschwester, der Softwareentwickler, der Bäcker oder der Freiberufler.

"Auch Musiker brauchen ein paar Sicherheiten. Die gibt uns das  Urheberrecht." 


Jep, das berechtigt aber nicht Musiker dazu, Forderungen zu erheben, wenn ihr Geschäftsmodell den Bach heruntergeht. Das Urheberrecht ist  nicht dazu da Schreibstuben vor den Druckereien zu retten, eine Lex Pferdedroschke hat es ja schliesslich auch nicht gebraucht.

"Gesetze sind nicht zur Bestrafung, sondern zum Schutz da. Warum sollte man gerade Musiker davon ausnehmen?"


Wer fordert denn ein Gesetz zur   Bestrafung von Musikern? Wenn auf das Urheberrecht angespielt wird, das hat  einen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer, dh. zB. der Übernahme von  veröffentlichter Musik in den Kulturraum der Gesellschaft, der Urheber, hier  der Musiker auf Namensnennung und Vergütung und den Interessen der Verwerter  zum Schutz von Investitionen zu schaffen.
Wenn man sich die Geschichte des  Urheberrechts anschaut, wurde als Begründung der Notwendigkeit desselben  immer wieder angeführt, daß dies ja die kulturelle Vielfalt fördern würde,  mittlerweile bin ich mir da nicht mehr sicher, ob wir ein Verwerterrecht noch  benötigen.

"Ihr dürft jeden anzeigen, der euch etwas wegnimmt. Das wollen wir  auch dürfen." 


Wieder eine Nebelkerze, diesmal aufbauend auf dem Konstrukt des  "geistigen Eigentums". Worum es tatsächlich geht, ist, es anderen zu verbieten  Kopien eurer Werke zu erstellen.
Bei kommerziell motivierten Kopien, die ohne  euer Einverständnis gemacht wurden, sind wir bei Euch.

Don't fuck with music! Antwort als Politiker



Wenn man als Fan mal einen Blick auf die Statements wirft, die an die Politik
gerichtet ist, sieht man, es geht nur um Wahrung der eigenen Pfründe. Hier die
Statements und ein paar Antworten:

"Nur ein starkes Urheberrecht sorgt dafür, dass sich Kulturschaffen auch lohnt."


Wie oben beim Fan-Statement "Gesetze sind nicht zur Bestrafung,
sondern zum Schutz da. Warum  sollte man gerade Musiker davon ausnehmen?"
geschrieben, ist die Grundfrage, die das Urheberrecht regeln soll, die, wie wir
es schaffen, daß unsere nachfolgenden Generationen einen Kulturschatz
vorfinden. Wenn mit stetig wiederholten Forderungen seitens der
Verwerterindustrie nach Verlängerungen von Schutzfristen es unmöglich gemacht wird, daß Musik in der Gesellschaft als Volksgut aufgenommen wird, ist dann die Forderung an die Politik ein Schlag ins Gesicht zum Beispiel der Kindergärten und Schulen, die im Auftrag von der GEMA für Kinderlieder pauschal in Regreßgenommen wurden?

"Dateihoster müssen in die Pflicht genommen werden. Sie verdienen Geld mit der Arbeit anderer Leute." 


Was für ein hanebüchener Blödsinn!
Dateihoster sind nichts anderes als Anbieter für virtuelle Lagerräume. Hat man je von Waldbesitzern gehört, die an die Politik herantreten und sagen: "Holzlagervermieter müssen in die Pflicht genommen werden. Sie verdienen  Geld mit der Arbeit anderer Leute."?

"Filesharer sind auch nicht viel besser. Sie wollen die Arbeit  anderer Leute umsonst." 


Argl! Man möchte schreien bei soviel Dummheit!
Filesharing ist ökologisch und ökonomisch eine Möglichkeit Netzbandbreite und Speicherplatz zu teilen. Filesharing ist weder gut noch böse, es handelt sich dabei um eine verteilte Ressourcenbereitstellung und wird zB. von Firmen und  Behörden genutzt, mit großen Datenmengen umzugehen.
Filesharing ist zu vergleichen mit Fahrgemeinschaften oder mit großen Baustellen, wo zB. die linke Wand von Lieferant A und die rechte von Lieferant B besorgt wird.

"Filesharing schwächt die zahlreich vorhandenen legalen  Musikangebote im Internet und entwertet Musik als Handels- und Kulturgut."


Auch diese Aussage ist nichts als eine Nebelkerze. Filesharing ist erst einmal nichts als eine Methode, Daten verteilt zu speichern oder zu transportieren.
Diese Methode ist erstmal grundsätzlich neutral. Wer fordert, Filesharing zu unterbinden, will nichts anderes, als im Internet virtuelle Schlagbäume   aufzustellen und an diesen jedem Nutzer ins Gepäck gucken zu wollen. Heute  will das die Musikindustrie, dann kommen Firmen, die unliebsame Beiträge  unterdrücken wollen und am Ende haben wir kein freies Internet mehr, sondern einen Überwachungsstaat, bei dem die Musikindustrie den "Sicherheits"politikern ein  Eingangstor geöffnet hat.

"Professionelle Hostingdienste machen Musikalben für Rechtsverletzer  noch bequemer erreichbar." 


Die Aussage ist nicht unwahr, leider aber auch nicht wirklich richtig, kurzum: Nebelkerze.
Tatsache ist, Professionelle Hostingdienste machen Dateien für jeden Nutzer solcher bequemer erreichbar. Auch diese Dienste sind ersteinmal völlig inhaltsneutral.
Wenn also jemand mit der Aussage fordert,   Hostingdienste zu verbieten oder diese zu verpflichten Inhalte zu  kontrollieren ist das ungefähr so, wie wenn jemand forderte, die Deutsche Bahn möge ihre Reisenden auf mitgenommene Musikalben überprüfen. Absurd!

"Wer vom Musikkopieren finanziell profitiert, muss die Musiker und ihre Partner am Gewinn beteiligen."


Nein, muß er nicht. Es kommt nämlich darauf an, was man genau unter "Kopieren" versteht. Die Aussage ist nur dann haltbar, wenn "Kopieren von Musik" als Dienstleistung im Sinne von "Anbieten von Musik an alle gegen Entgelt" gemeint ist.
Wenn darunter aber auch "Kopieren einer Datei, weil das Medium die Welt zum Dorfe macht" gemeint ist – ein klares Nein!
Wenn heutzutage über das Internet Smartphone, Computer und sonstige Geräte miteinander verbunden sind, dann wird über das Medium  immer auch eine Kopie erzeugt. Wer dann einen Synchronisierungs- oder Hostingdienst, wie zB. Dropbox anbietet, hat Kosten für die Bereitstellung von Hardware, die den Dienst sichern.
Dieser Dienst ist aber Datenneutral.
Das ist ungefähr vergleichbar mit einem Stromnetzanbieter, der ja ebenfalls   Hardware bereitstellt um den Dienst zu sichern. Und einen Stromnetzbetreiber   wird man auch nicht für den Kopiervorgang von Musikalben in Regress nehmen, nur weil die neueste Regener-Aufnahme durch Elektronen in Richtung   Lautsprecher bewegt werden.

"Zehntausende Jobs sind vom Funktionieren eines digitalen  Musikmarktes unmittelbar oder mittelbar abhängig." 


Wie oben schon geschrieben, Aufgabe von Politik darf es nicht sein, Geschäftsmodelle zu sichern. Eine "Lex Pferdeäpfel" hätte den Fortschritt des Automobils auch nicht aufgehalten.

Mittwoch, 17. April 2013

Von Athene geküßt, die moderne Bibliothek

Früher: Bibliothek – Die Büchersammlung


Früher, in der Vor-Internet-Ära, hatten Bibliotheken vor allem zwei Funktionen. Sie waren Aufbewahrungsort des gedruckten Wissens und der niedergeschriebenen Kultur. Und sie sorgten mit einer inneren Ordnung dafür, daß diese Schätze zugänglich blieben.

In der heutigen Zeit ist es nicht mehr notwendig Wissen und Kultur zwischen Pappdeckel gepresst in kilometerlange Regale zu stellen. Jeder PC, Ebookreader oder gar Smartphone kann heute hunderte elektronische Dokumente speichern, von speziell an die Bedürfnisse der Leser aufbereiten ganz zu schweigen.

Auch das Führen von Katalogen ist heute nicht wirklich notwendig, die meisten elektronischen Dokumente sind inhärent mit den Metadaten angereichert, die notwendig sind, um diese durch eine Suchmaschine auffindbar zu machen, ja, heute ist sogar eine Volltextsuche möglich, die vor wenigen Jahrzehnten undenkbar schien.

Auch Wegweiser im Mediendschungel ist heute kein Alleinstellungsmerkmal von Bibliotheken mehr. Und selbst muß man sich nicht mehr zu diesen Orten begeben, deren gesammelte Werke kommen via Internet zu uns. Jederzeit, rund um die Uhr.

Heute, die an Büchern Versammelten


Bibliotheken heute kann man mit zwei Dienstleistungen in Verbindung bringen.

Die erste ist die traditionelle Aufgabe des Bewahrens des Kulturgutes Buch, sprich: die Konservierung, Aufbewahrung, Zugänglichmachung und Erschliessung alter, historischer Schriften. Diese Aufgabe übernehmen in der Regel Sonderbibliotheken.

Die zweite Dienstleistung ist, wenn man genauer hinschaut, auch so neu nicht.
Die Zurverfügungstellung von Räumen, die das vertiefende Arbeiten, das entspannte Lesen, das kommunikative sich austauschen, das nachdenkliche Zuhören, das einander Begegnen, das konzentriert Recherchieren und des sich bildende Lernen ermöglichen.

Meines Erachtens, sind diese Dienstleistungen Kernaufgaben einer Bibliothek, die auch im Informationszeitalter noch Gültigkeit haben.

Wenn man sich dessen bewußt wird, so kann man dazu übergehen, in der Politik, vor allem aber in unserer Gesellschaft das Bewußtsein, daß es Bibliotheken braucht, neu zu erwecken.

Bibliotheken müssen vom Mief vergangener Jahrzehnte befreit werden. Unsere Gesellschaft braucht sie.

Bibliothek ist dann ein neutraler Ort, wo räumliche und virtuelle Welt aufeinandertreffen, wo Zukunft und Vergangenheit sich berühren können.

Weitere Informationen


Donnerstag, 4. April 2013

Die Angst Ergebnisse öffentlicher Projekte unter freie Lizenzen zu stellen

CC 3.0 by Trebol6, basierend auf Free Softwaremap (GFDL)
Ich habe in den letzten Jahren vielfach Einblicke in Projekte gewinnen können, die durch öffentliche Mittel (mit-)finanziert oder gar durch öffentliche Einrichtungen durchgeführt wurden. Zum Projektstart gab es oft Vereinbarungen oder Absichtserklärungen, die eine Freigabe der Projektergebnisse unter eine freie Lizenz vorsah, wenn man aber im Nachgang auf die Projekte schaut, ist es bei der Bekundung aber geblieben.

Beispiel Deutsche Digitale Bibliothek


Ziemlich tief versteckt in den öffentlichen Dokumenten findet man auf Seite 15 des Grobkonzeptes http://www.iais.fraunhofer.de/uploads/media/DDBGrobkonzeptFinal.pdf  folgende Erklärung:

Die Projektartefakte dieses Projekts werden Open Source sein. Damit ergibt sich auf natürliche Weise eine Präferenz zur Verwendung von frei verfügbaren Open Source Produkten. Kommerzielle resp. Closed Source Produkte sind immer dann eine Alternative, wenn Open Source Produkte nicht in hinreichender Qualität und Zuverlässigkeit zur Verfügung stehen. Dessen ungeachtet ist die DDB gut beraten, kommerziellen Support / Wartung für die verwendeten Open
Source Produkte zu kaufen. Für die kritischen Komponenten (Portal, CMS) ist das eine unverzichtbare Anforderung.
Leider findet sich heute auf den Webseiten der Deutschen Digitalen Bibliothek kein Hinweis auf Open Source mehr.

Auch andere öffentlich geförderte¹ Projekte, wie das vom BMAS geförderte Projekt "Leibniz" der Deutschen Zentralbücherei für Blinde setzen massiv freie Werkzeuge und APIs ein, ohne selbst den Quellcode öffentlich zu machen, obwohl die Öffentlichkeit, aber auch die öffentlichen Einrichtungen von einer Freigabe der Projektartifakte lernen könnte.

Update 2013-05-07: Innovisions bestätigt, daß die Deutsche Digitale Bibliothek als Open Source geplant war. Siehe Bild: 

¹ Wer weitere Projekte kennt, schreibe dies unten in den Kommentar oder schreibe per Twitter an @art1pirat.

 

Die Vorteile der Freigabe von Projektartifakten

Feedback


Es gibt eine Reihe von Vorteilen, alle Projektartifakte frei zugänglich zu machen. Zum einen ergibt sich bei der Offenlegung von Softwarequellen und der Dokumentation von Schnittstellen der positive Effekt, daß da draußen in der Welt all die verrückten Entwickler angesprochen werden, hier und da kleine Verbesserungen beizusteuern. Das können kleine und größere Fehlerkorrekturen sein, Fragen, die vielleicht Aspekte beleuchten, die man bisher nicht beachtet hatte, oder einfach der Hinweis auf ähnliche Projekte, mit denen man Synergien eingehen könnte.

Lehre


Aber auch wenn man nur die Entwicklung des Projektes, die getroffenen Entscheidungen und auch die Fehler offen dokumentiert ist das nützlich. Denn in der praktischen Projektmanagmentarbeit und auch in der Projektmanagmentlehre fehlt es an genügend Beispielen, von erfolgreichen und auch erfolglosen oder schwierigen Projekten.

Bewußtsein schaffen


Durch die Offenlegung von Projektartifakten kann man Diskussionen anstoßen, Standards setzen, sich einen Namen machen und auch das Bewußtsein für bestimmte Aspekte einer Entwicklung stärken.

Nicht zuletzt hilft die Offenlegung auch, durch Ausnutzung des long-tail-Effektes, daß man auch in Nischenprojekten genügend Mitstreiter findet.

 

Die Ängste

Leider kursieren in den öffentlichen Einrichtungen viele Ängste, die einer Veröffentlichung von Projektergebnissen im Wege stehen.

Angst vor Konkurrenz


Die größte Angst ist wohl die Angst, daß eine andere Einrichtung, oder gar ein Unternehmen  die Projektergebnisse für ihre eigenen Zwecke verwendet und in direkte Konkurrenz tritt.

Eigentlich ist die Angst irrational, da öffentliche Enrichtungen normalerweise nicht in Konkurrenz stehen und eigentlich miteinander an einer gemeinsamen Entwicklung arbeiten sollten. Und Konkurrenz zu Unternehmen sollte nach BVerwGE39, 329, 333 f. vermieden werden.

Als ich zur Braille21mit etlichen deutschen Einrichtungen zur Blindenförderung gesprochen habe, war diese Angst förmlich greifbar. Jede Einrichtung hat versucht, die Ergebnisse der anderen zu inkludieren, aber gleichzeitig versucht möglichst nichts ihrer Eigenentwicklungen nach außen zu geben. Wenn sich die deutschen Einrichtungen dazu hätten durchringen können, ihre Erweiterungen, wie die Schweizer in die Daisy-Pipeline zu geben und sich mal auf das gemeinsame Erarbeiten von Standards für die Brailleschrift-Regeln für Buchdrucke konzentriert hätten, wäre den blinden und sehbehinderten Menschen da draußen schon wirksamer geholfen.

Auch die Angst davor, daß ja jemand anderes "unseren Code" in eine andere Richtung entwickeln könnte, existiert.

Auch hier muß man mühsam stetig wiederholen: Wenn ihr den Code herausgebt, habt ihr immer noch den Code und das Know-How. Wenn ihr die richtige Lizenz wählt, zB. GPL oder Affero, dann seid ihr immer mit dem Code verknüpft.

Und damit wären wir bei Kontrollverlust.

Kontrollverlust

Das ist das nächste, oft gehörte Argument. Wenn man zum Beispiel Quellcode herausgibt, daß man dann ja keine Kontrolle mehr darüber hat, wer was mit dem Quellcode macht. Und wenn der vielleicht noch geforkt wird, dann entwickelt er sich in eine andere Richtung.

Auch hier gilt das oben gesagte, wenn ihr den Code herausgebt, habt ihr immer noch den Code und das Know-How.

Und wenn jemand euren Code übernimmt, dann wißt ihr, hey, unser Code war so wichtig, daß jemand sich damit beschäftigt!

Aber auch, wenn ihr Dokumentaion herausgebt, gilt das Gesagte. Ihr behaltet die Kontrolle und könnt nur gewinnen.

Aufwand


Oft kommt als Argument, daß wenn man Projektartifakte nach außen gibt, daß man ja einen Mitarbeiter allein für den Kontakt zur Community, für anfragen etc. abstellen muß. Und Pflege des Repositories, Eingehen auf die Wünsche der Auswärtigen, der Aufwand!

Nein. Der Aufwand hält sich in Grenzen. Sicher, man muß mit Interessierten kommunizieren. Aber das will man ja in der Regel auch, weil von dort oft wertvolles Feedback kommt.

Ein eigenes Repository muß man soundso pflegen, wenn man die Projektergebnisse warten will. Das ist unabhängig von der Freigabe nach außen. Die heutige Infrastruktur rund um Freie Software macht es leicht, Werkzeuge und Repositorien ohne großen Aufwand zu nutzen. Und ob man wirklich den Weg gehen will, auch weiterhin den Hut aufzuhaben und auch die Entwicklung der Externen zu koordinieren, ist eine Option. Die andere wäre, einfach regelmäßig mit dem dann externen Projekt zu kommunizieren und seine Anpassungen wieder in dieses einfliessen zu lassen. auch hier hält sich der Aufwand in Grenzen.

Ab und an wird mal angeführt, daß man ja vor der Herausgabe das Projekt in einen lesbaren Zustand bringen muß. Ja, mei, das Projekt sollte immer in einem Zustand sein, der lesbar und wartbar ist! Unabhängig ob intern oder extern.

Gesichtsverlust


Das kann eigentlich nur passieren, wenn Dilettanten am Werke waren. Auch da wäre die Leitung der Einrichtung gut beraten, diese Angst nicht zuzulassen. Denn wenn jemand Gesichtsverlust befürchtet, dann oft nur, weil das Projekt so grottig lief, daß man sich für schämen müßte. Für die Einrichtung wäre das aber der Gradmesser sich mal an die Nase zu fassen und zu überlegen, warum die Qualitätssicherungsprozesse im Projekt nicht gegriffen haben.

Und nur weil ein Projektergebnis nicht 100% perfekt ist, sollte man sich vor Veröffentlichung nicht fürchten, im Gegenteil! Je früher desto besser, denn die oben genannten Vorteile, wie zeitiges Feedback, Aufbau eines Austauschnetzwerkes, etc. sind mit Gold nicht aufzuwiegen.

Rechtliches


Jep, dies kann ein echtes Problem sein. Hat man alle Lizenzen beachtet? Können wir als Einrichtung verklagt werden? Haben wir gegen Patente verstoßen?

All diese Fragen und mehr werden bei der angedachten Veröffentlichung auf den Tisch kommen.

Aber ich bin mir sicher, wenn man an den richtigen Stellen um Hilfe bittet, zB. bei unabhängigen Organisationen, wie zB. der FSFE, beim Datenschutzbeauftragten, bei den Ministerien, usw. usf. können alle diese Fragen ohne große Probleme beantwortet werden.

Und, hey, was soll einer öffentlichen Einrichtung da schon groß passieren?

TL;DR


Warum viele öffentliche Einrichtungen ihre Projektergebnisse dann doch nicht öffentlich zugänglich machen und warum ihnen und uns dadurch Vorteile verlorengehen.