Sonntag, 28. April 2013

Teil 2, Und ewig kriechen die Lobbyverbände aus ihren Löchern

Die aufgeklärte Weisheit
 als Minerva schützt die
Gläubigen aller Religionen,
 Daniel Chodowiecki, 1791,
 Quelle:  Wikimedia
Wie im ersten Teil von "Und ewig kriechen die Lobbyverbände aus ihren Löchern" geschrieben, hatte zeitgleich mit der "Don't fuck with Music"-Kampagne der Musikindustrie auch die Verwertungs- und Lobbygesellschaft VG Wort eine eigene unter dem Namen "Wir geben 8 aufs Wort" veröffentlicht.

Zu den von der VG Wort vor den Karren gespannten Autoren gibt es sehr aufschlußreiche Beiträge. So schreibt Dirk van Gehlen "Tatsächlich mehr 8 geben" über das wunderliche Gebahren des Denis Scheck. Und Markus Kompa untersucht in "Ist Eckart von Hirschhausen ein Pirat?" die Rolle von Eckart von Hirschhausen.

Im letzten Beitrag habe ich versucht die Aussagen der Musikindustrie zu analysieren, hier soll es jetzt nur um die von der VG Wort in die Welt gesetzten Thesen gehen.

Schade ist, daß die Urheber und Autoren sich immer noch von den Verwertern vor den Karren spannen lassen. Denn der Kampf lautet eigentlich nicht "Urheber gegen Nutzer", sondern "Welche Rolle spielen heute noch Verwerter?", insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß die VG Wort wohl ihren Autoren Gelder vorenthält.

1. Mein Werk gehört mir


Wenn man die volle These so liest, möchte man als aufgeklärter Mensch den Kopf nicken und sagen "Jep, Recht habt ihr!". Doch im letzten Satz steht: "Für eine gesetzliche Beschränkung des Urheberrechts zu Gunsten von „Mashups“ oder „Remixes“ besteht kein Anlass."
Doch gerade Mashups und Remixes bedürfen einer Regelung! Es entsteht ein neues Werk analog zu einer Collage, bei der hunderte von verschiedenen Audio-, Video- und Textschnippsel zu einem neuen Werk zusammengesetzt (sh. 9 Thesen zur Remix-Kultur) werden. Müsste ein Künstler Verhandlungen mit jedem Urheber dieser Schnippsel führen, wäre er zu Staub zerfallen ohne ein Werk überhaupt nur begonnen zu haben.

Auch historisch wäre ein Verbot von Mashups und Remixes nur schwer zu begründen. Wenn wir uns das Musikgenie Mozart anschauen: seine besten Werke enthalten Adaptionen anderer zeitgenössischer Musiker. So stammt zum Beispiel die Overtüre zur Zauberflöte von Muzio Clementis Klaviersonate B-dur op.24,2.


2. Digitale Privatkopien sind erlaubt, aber zu bezahlen


Dieser Punkt ist wohl mit Absicht diffus mißverständlich gehalten. Der Beitrag weißt darauf hin, daß über die pauschale Geräteabgabe eine gewisse Entschädigung an die Künstler fließt, damit in den Fällen, wo das Recht dem Urheber  Schranken erläßt, ein Ausgleich stattfindet. Durch die Betonung auf "Digitale Privatkopien sind erlaubt, aber zu bezahlen" wird suggeriert, daß digitale Privatkopien bisher von den Pauschalabgaben nicht erfasst werden.

Dem ist jedoch nicht so! Auf allen Datenträgern und kopierfähigen Laufwerken wird eine Pauschale erhoben. Wer heute einen DVD-Brenner für 40€ erwirbt, bezahlt dabei alleine knapp über 10€ Urheberrechtspauschale.  Eine komplette Übersicht findet sich ua. bei Wikipedia.


3. Hände weg von Schutzfristen


In dieser These stehen einige Aussagen, die man nicht so stehen lassen kann.

So heißt es dort ua.: "Die Vorschläge im politischen Raum für eine Verkürzung der gesetzlichen Schutzfristen stoßen auf völliges Unverständnis der Urheber. Eine Schutzfristenverkürzung würde das geistige Eigentum der Urheber massiv entwerten."
Wen man sich mit Schutzfristen beschäftigt, dann muss man die Frage beantworten, was geschützt werden soll, wem der Schutz nützt und wem nicht.
Grundsätzlich sollte das Urheberrecht einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, den Interessen der Nutzer und den Interessen der Verwerter bieten.
Wenn man sich die Geschichte anschaut, so war das Urheberrecht ursprünglich ein Schutzrecht für Druckereien, damit diese ihre Investitionskosten wieder hereinholen können und sogenannte "Raubdrucke" unter Strafe gestellt werden.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Urheberrecht auch zu einem Autorenrecht. In den schon damals hart geführten Debatten kann man nachlesen, daß man über den Schutz der Autoren diese ermutigt Vielfalt in die Kulturlandschaft zu bringen.

Unterstellt man nun, daß ein Autor von seinen Werken leben soll, was auch in der heutigen Zeit nur einer Handvoll gelingt, so stellt sich als erstes die Frage, warum sollen Schutzfristen über den Tod des Autors 70 Jahre(!) hinaus gelten? Selbst wenn man den Kindern des Autors etwas Gutes tun will (in Wahrheit will man das nicht), warum würden dann nicht 10 oder 20 Jahre nach dem Tode ausreichen?

Schaut man sich die Verwertungszeiträume an, sprich: Wie lange kann das Werk kommerziell vermarktet werden, so kommen Studien zum Schluss, daß nach 10 bis 20 Jahren in der Regel die Werke vermarktungstechnisch erschöpft sind.

Katastrophal wird es, wenn man sich dann noch anschaut, welche Lücke überzogene Schutzfristen im kulturellen Erbe hinterlassen können.

Die Aussage "Natürlich kann Sacheigentum und geistiges Eigentum nicht einfach gleichgesetzt werden." stimmt, die Ergänzung: "Aber auch das geistige Eigentum ist verfassungsrechtlich geschützt" ist nicht belegbar. Der Begriff "geistiges Eigentum" findet sich nicht im Grundgesetz oder im BGB wieder.

Die Behauptungen "Es trifft nicht zu, dass die bestehenden Schutzfristen lediglich den Verwertern zu Gute kommen. Jede Verkürzung des Urheberrechts schwächt auch die Position des Urhebers. Ohne Urheberrecht hat er nichts, worauf er sich gegenüber Dritten berufen kann." Und: "Auch Urheber wollen ihren Erben etwas hinterlassen. Häufig genug handelt es sich bei ihren geschützten Rechten um die zentralen Vermögensgegenstände. Dabei muss es bleiben." habe ich oben schon hinterfragt.
Wer dennoch zustimmen möchte, sollte sich mal fragen, was ein Friseur seinen Kindern, Kindeskindern und Kindeskindeskindern für die nächsten 70 Jahre zu hinterlassen vermag.

4. Das Urheberrecht schützt die Kreativen


Wie oben schon geschrieben, regelt das Urheberrecht nicht nur die Rechte des Urhebers, sondern auch die Einschränkungen dieser, um den Bestand und die Aufnahme von Werken in den Kulturschatz unserer Gesellschaft zu sichern.

Es ist nicht so, daß einem Urheber sich eine Idee als Blitz aus dem Nichts materialisiert, ohne daß dieser nicht vorher von anderen Ideen, von alten Geschichten, Liedern, Metaphern, Handwerken, Diskussionen beeinflusst worden sei.
Kultur baut auf Kultur auf, Wissen auf Wissen. Die Schaffung eines Werkes ist ein holistischer Prozess. Was wäre eine Serie wie "Big Bang Theory", wenn sie keine Anspielungen auf Gene Roddenberry, Douglas Adams und Stan Lee enthielte?


5. Fair-Use ist nicht fair


Die Warnung vor der Einführung einer Fair-Use Regelung ist pure Panikmache. Wie die Kampagne selbst richtig feststellte, gibt es bereits heute mannigfach pauschale Geräte- und Medienabgaben. Diese würden auch bei einer Fair-Use-Regelung gelten. Der Vorteil von Fair-Use wäre gerade, daß sich das Urheberrecht vereinfachen würde. Und ein einfacheres, gerechtes Urheberrecht wird dann von den Nutzern, ohne das die Urheber Schmerzen leiden, wieder akzeptiert werden können.


6. Verwertungsgesellschaften


Bei diesem Punkt mag ich gar nicht groß widersprechen. Nur hat leider in den letzten Jahren gerade bei den großen Verwertungsgesellschaften, wie der GEMA oder VG Wort eine Selbstbedienungsmentalität Einzug gehalten, die den Anspruch "Treuhänder der Autoren und Verlage" zu sein nicht gerecht wird.
Siehe dazu:


7. Lizenzieren, Lizenzieren, Lizenzieren


Nun, langsam scheint es in den Köpfen der Verwerter Klick zu machen und folgerichtig kommen sie zum Schluß, daß man dem Nutzer Angebote machen muß und sich nicht auf überholten Geschäftsmodellen ausruhen kann.
Hier bleibt nur ein Bravo! Weitermachen! zu wünschen.


8. Aufklärung ist erforderlich


In diesem Punkt sind wir uns wahrscheinlich einig, nur daß wir unter Aufklärung vermutlich nicht dasselbe verstehen.

Wichtig ist, Urhebern wie Nutzern klar zu machen, daß das heutige Urheberrecht ein Relikt vergangener Jahrhunderte ist. Wenn wir als Gesellschaft daran festhalten, geht unsere Kultur verloren.

Diese Zeit bietet ungeahnte Möglichkeiten. Durch das Zusammenwachsen der Welt entstehen neue Arten von Kultur. Das gemeinsame Schaffen von neuen Formen, das Teilen von Ideen, das Kommunikative Miteinander würde, einem zarten Pflänzchen gleich, durch das Festhalten an alten Mustern, zertreten werden.

Aufklärung ist erforderlich! Eine neue Aufklärung, ein neues Zeitalter mit neuem Wissen! Ein Zeitalter, in dem der aufgeklärte, gebildete Mensch eine stärkere Rolle spielt als Partikularinteressen einiger Verwerterverbände.

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