Freitag, 14. Juni 2013

Simsala-Sidim – Wie Contentprovider mit DRM Autorentexte verfälschen

Das Börsenblatt titelte am 7.Juni 2013: "Unverwechselbare Textmarkierungen − die Lösung?" und stellte im Artikel die Möglichkeiten eines im Text versteckbaren Wasserzeichens vor, welches vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT in Darmstadt und Sankt Augustin im Projekt "SiDiM" entwickelt wird.

Was geht mich das als Autor an?

Sehr viel. Im oben verlinkten Artikel ist ein Aufruf enthalten, wo anhand von Textbeispielen die Auswirkung des textuellen Wasserzeichens beurteilt werden sollte.


In der nebenstehenden Grafik habe ich die Unterschiede im ersten dort genannten Beispieltext grafisch hervorgehoben. Wie man sieht und ua. bei Compris (ein Konkurrenzprojekt) nachzulesen ist, funktionieren die textuellen Wasserzeichen so, daß zum einen Zeilenumbrüche, zum anderen auch ganze Wortumstellungen und -ersetzungen  genutzt werden, um personalisierte Informationen im Originaltext zu verstecken.

In einem älteren Beitrag eines der an SiDiM beteiligten Fraunhofer Mitarbeiter Dr. Martin Steinebach findet man eine Übersicht der auch in SiDiM genutzten Verfahren.

So werden ua. die folgenden Varianten eingesetzt:
  • Konjunktionsmodulation: Aus "Peter und Paul" wird "Paul und Peter"…
  • Hyphenmodulation: Aus "Peter-Prinzip" wird "Peterprinzip"…
  • Enumerationsmodulation: Aus "Schnee, Eis und Wind" wird "Eis, Schnee und Wind"…
Im Schnitt können dabei pro 40 A4-Seiten Text ca. 1 A4-Seite an Informationen unsichtbar hinterlegt werden.

Wie man an den Beispielen sieht, wird der Inhalt des Textes des Autors graduell verändert. Dies macht sich zwar nicht unbedingt an einer sinnentstellenden Veränderung fest, wohl beeinflusst es die mitunter vom Autor beabsichtigte Sprachmelodie oder Stimmung, die durch bestimmte Worte erzeugt werden soll.

Kurzum, nach geltendem Urheberrecht stellt diese Veränderung eine Verletzung des §39 UrHG dar, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde.

Davon abgesehen ist diese Art und Weise der Bearbeitung auch aus anderen Gründen problematisch. So erlaubt das Verfahren uU. das Tracking von Zitaten, aber schlimmer noch, das Zitieren von Fundstellen wird nahezu unmöglich gemacht, weil je nach personalisierter Fassung das Zitat bei dem Buch anders aussehen kann oder die Fundstelle nicht genau bezeichnet werden kann, da diese sich durch Satzumbau und Verwendung alternativer Worte unvergleichbar voneinander unterscheiden.

Ist das Wasserzeichen sicher?

Wenn jemand ein mit textuellen Wasserzeichen markierten Text für alle verfügbar machen will, besorgt er sich das Werk aus einer Bibliothek, kopiert es und stellt es online. Soll dann die Bibliothek für die mißbräuchliche Nutzung haften?

Wenn man Kosten und Aufwand nicht scheut, besorgt man sich den Text über verschiedene Quellen (zB. auch Bibliotheken) in mehren Ausgaben und lässt ein Diff über den Text laufen und findet die geänderten Stellen und ersetzt diese ggf.

Kurzum, das Wasserzeichen kostet die Verlage Geld. Zum einen für die Lizenz selbst, zum anderen für die regelmäßigen Abgleiche mit gefundenen Daten im Netz.

Es wird der Nutzer personalisiert. Dies macht dann Sinn, wenn man nicht mehr Bücher als Gut verkaufen will, sondern Bücher als Stream versteht, der personalisiert jeden Nutzer zur Verfügung steht.

Das vorgebliche Ziel, professionell agierende Textkopierer zu finden, wird damit nicht erreicht.

Der organisatorische Hintergrund

Interessant ist an dem Projekt "SiDiM" vor allem, welche Partner sich da gefunden haben: CoSee, 4Readers, juni.com, Notos Rechtsanwälte und MVB.

  • CoSee ist eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts und ist nach eigenen Angaben Spezialist für die Suche digitaler Werke anhand von Wasserzeichen in "Tauschbörsen (wie etwa BitTorrent, Gnutella, eDonkey etc.), Sharehoster (wie etwa RapidShare, Megaupload etc., User Generated Content Sites (wie etwa YouTube, Flickr etc.)"
  • 4Readers ist eine Firma, die einen "Fullservice für Bibliotheken" anbietet.
  • Juni.com ist Ausgründung der Werbeagentur "Einsatz" und entwickelt Softwarelösungen für Verlage.
  • Notos Rechtsanwälte hat sich auf IT-Recht und Durchsetzung "geistigen Eigentums" spezialisiert. 
  • MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH ist eine Wirtschaftstochter des Börsenvereins des deutschen Buchhandels.
Vordergründig steht die Verfolgung von vermuteten Verstößen gegen das Urheberrecht im Raum. Doch das gesamte Projekt hat genau ein Ziel, Überwachung der Leserschaft.

Und die Autoren sind zu doof dies zu bemerken.

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