Mittwoch, 25. September 2013

Keine Wahlanalyse – Eher persönliches Fazit über Piraten 2006-jetzt

Vorwort


Auf der Leipziger ML wurde ich auf den Blogbeitragvon Michael Weber aufmerksam: Hi Hi Ho – Piraten, reduce to the max.

Der Beitrag sprach mir aus der Seele und regte mich an, mal meine Zeit bei den Piraten Revue passieren zu lassen.

Eines vorweg. Eine Wahlanalyse wird meine Antwort hier nicht. Und ich
finde, wir sollten unter dem emotionalen Eindruck der Bundestagswahl
noch auf eine Analyse verzichten.

Was mich am meisten Kraft kostete

Mich haben ff. Dinge die meiste Kraft gekostet (größtenteils noch als Vorstand):
  • interne Auseinandersetzung mit Mitgliedern, die zur eigenen  Profilierung die Piraten zu einer populistischen Partei machen wollen
  • dabei fehlende Unterstützung von Mitgliedern, die das   durchschauen  und dem etwas entgegensetzen
  • rechtliche Auseinandersetzungen

Obwohl mir im Vorfeld bekannt war, was ich leisten kann und will und
ich dies auch so kommuniziert hatte und versucht habe auf mein Pensum
aufzupassen, wäre ich beinahe in einen Burnout gelaufen.

Meine Piraten-Phasen


  • 2006-2010 war ich voll motiviert und habe Mitglieder gesehen, die im Großen und Ganzen das Gleiche wollten. Die Piratenwelt war meistens freundlich und gleichgesinnt.
  • 2011 war das Jahr, in dem ich meine politische Unschuld verlor. Ich mußte mich erstmals mit Leuten auseinandersetzen, die taktische Spielchen in der Grauzone trieben. Das Urvertrauen, daß jedes Piratenmitglied doch im Prinzip das gleiche will, war verloren.
  • 2012 war das emotionalste Jahr, da ich gesehen habe, wie Mitglieder systematisch die Werte und Ziele, die die Piraten 2006-2011 verinnerlicht hatten, angriffen. Hinzu kam der unerträgliche Dilletantismus von Piraten in Verantwortungsposition, der ein übriges tat, diesen Leuten in die Hände zu spielen (BTW., diese Piraten sollten nach Land nicht auch noch im Bund als Vorstand antreten)
  • 2013 gewann ich nach und nach emotionalen Abstand zu den Piraten. Wenn es die Piraten nicht mehr gibt, weiß ich, daß ich woanders Gleichgesinnte fände, die meine Vision von Gesellschaft teilen.
  • Nach der Bundestagswahl hat sich die Hoffnung eingestellt, daß wir alle mit einem Gang runter, mit unseren Erfahrungen vielleicht das Ruder herumreißen könnten.

Die größten Fehler (subjektiv)


Die größten Fehler, die mir in der Entwicklung der Partei aufgefallen
sind, aber nur indirekt was mit der BTW13 zu tun haben:

  • Wir waren zu naiv und haben vergessen in die Satzung Schutzregeln hineinzuschreiben.
  • Zur Berlinwahl wurde unser Slogan "Mitmachpartei" falsch verstanden.  Wir haben jeden mitmachen lassen, ohne darauf zu achten, ob das zu   unserer Auffassung von "parteiisch sein" passt.
  • Die Entwicklung von Programmen findet nicht wirklich statt. Es werden zwar Positionen verabschiedet, aber weder verinnerlicht, noch im   Gesamtkontext eingeordnet. Unsere Satzung gibt dafür kein Regelwerk  und keine Kriterien vor.
  • Wir haben keine Schutzfunktion für Aktive. Es gibt kein "nur 30%" oder "nur 80%" dabei. Entweder leistest Du 130% oder Du bist  draußen. Es läuft  wahnsinnig viel informell, und das trotz/wegen der "Dokumentation" in Pads, Wikis, MLs, Mumbles, ... Hinzu kommt, die Inkompatibilität vieler parteiinterner Veranstaltungen mit Familie und Beruf.
  • Fehlende Schutzfunktion gegen die lautstarken. Leise Töne werden  nicht gehört. Mindermeinungen im besten Fall ignoriert, im  schlimmsten niedergemobbt. Liberal geht anders.
  • keine interne Fortbildung, bei Pressearbeit, Schatzmeister und Genseks funktioniert es jetzt.
  • geringer bis gar nicht vorhandener finanzieller Spielraum für  Vorstandsmitglieder, Schiedsrichter und Beauftragte zur Durchführung  ihrer ehrenamtlicher Arbeit
  • und last but not least, wir haben keine ehrliche Anerkennungskultur. Es gibt etliche Piraten, die vorne herum Flausch verteilen, dann aber hinter geschützten Accounts und in Hinterzimmern nicht nur lästern, sondern aktiv die Ausgrenzung von Parteimitgliedern betreiben. Ehrliches Lob und ehrliche Kritik würde oft tausendmal besser helfen als ein uninspiriert dahingerotztes 'flausch'.

Egal wie wir jetzt zu den Piraten stehen, egal wie wir das Ergebnis der Bundestagswahl finden.

Wichtig ist, daß wir alle jetzt nicht gleich in Aktionismus (außer
Plakate abhängen) verfallen, sondern uns besinnen: Warum sind wir bei
den Piraten dabei und was muß anders laufen, damit wir weitermachen
können?

Freitag, 13. September 2013

Diese Piraten sind mir zu brav!

CC by SA Photo de Guillaume Blanchard
Diese Piraten sind mir zu brav! Und dennoch werde ich sie wahrscheinlich wählen, denn die anderen Parteien haben auf den folgenden Gebieten noch weniger zu bieten – und oft nicht mal die richtigen Fragen.

Urheberrecht

Verwertung findet in der Regel in den ersten 10 Jahren nach der Veröffentlichung statt. Eine Überarbeitung der Schutzfristen auf maximal 20 Jahre nach Veröffentlichung hätte ich mir gewünscht. Wenn wir uns zB. Software anschauen, die ist oft schon nach 2 Jahren veraltet. Stattdessen haben wir aus Angst vor unserer Courage unsere berechtigten Forderungen nach und nach verwässert. Heute haben wir eine Verlängerung der Schutzfristen, ein Leistungsschutzrecht, was keiner braucht und eine GEMA, die sich vor uns Piraten nicht mehr fürchtet. Dennoch sind wir die, die eine Diskussion dazu in Gang setzten.

Internetzugang

Forderung Internetzugang als Grundrecht festzuschreiben. Es reicht nicht, ab und an das Stichwort Teilhabe in den Mund zu nehmen. Zur Teilhabe gehört, daß der Internetzugang als Grundversorgung anerkannt wird. Die Piraten hätte ich mir hier als treibende Kraft gewünscht, die sich für gesicherten Bandbreitenausbau von mind. 1MBit up-/downstream einsetzen. Und dies unter Wahrung der Netzneutralität.

Datenschutz

Wie sieht moderner Datenschutz aus? IMHO haben die Piraten sich darum gedrückt, neue Wege zu suchen. Wie kann eine Vision von Startrek mit dem legitimen Interesse der Menschen auf Privatsphäre unter einen Hut gebracht werden? Spackeria und Aluhüte waren nicht die Antwort.

Digitales Kulturgut

Bis auf wenige Ausnahmen sind mir kaum Piratenmitglieder bekannt, die sich mit den Auswirkungen des drohenden digitalen Gedächtnisverlustes beschäftigen. Staatliche Stellen werden die langfristige Verfügbarhaltung von digitalen Kulturgütern vermutlich nicht alleine stemmen können.

Bildung und Wissen

Die Piraten haben an sich richtig erkannt, daß wir uns an der Schwelle zum Informationszeitalter befinden und wir neue Lösungen finden müssen, die auf die Besonderheiten des digitalen Wandels eingehen. Für mich ist mit dem Informationszeitalter ganz eng das Zurechtfinden in und Bewerten von Informationen verknüpft.
Konkrete Ansätze, wie Bildungs- und Wissenschaftspolitik aussehen können, sind noch in der Entwicklung.

Liberal und Sozial

Als ich zu den Piraten gestoßen war, war es egal, woher Du kommst, ob Du groß oder klein, Frau oder Mann, Nerd oder Familienmensch warst. Und wenn Du ein Problem hattest, dann bekamst Du ruckzuck Hilfe angeboten.

Dieses Miteinander und gleichzeitig leben und Leben lassen wünsche ich mir für unsere Gesellschaft. Die Piraten sollen sich weiterhin dafür einsetzen, daß jeder so leben kann, daß er sich keine Sorgen um seine soziale Existenz machen muß, daß man einander nicht egal ist und es trotzdem egal ist, ob jemand in seiner privaten Umgebung fesseln lässt oder lieber eine Bratwurst isst.

Dienstag, 10. September 2013

Haben sich die Bürgerrechtler eingerichtet?

Am letzten Samstag war ich, wie viele Bekannte von mir auf der Freiheit statt Angst Demo. In der Rede von padeluun echauffierte [im Artikel, Abschnitt: Die Apelle der Anfangsredner] dieser sich darüber, daß auch Parteien, vor allem die Piraten, neben Grüne und SPD, so zahlreich vertreten waren und das doch die Kundgebung eine Veranstaltung der Bürger sei.

Mich hat das zuerst sehr geärgert, weil geschätzt mindestens ein Viertel der Teilnehmer den Piraten zuzurechnen war und ich sowohl als Pirat, aber in erster Linie als kritischer Bürger vor Ort war um gegen die Verharmlosung der Auspähung von Menschen zu demonstrieren.

Ich möchte mich nicht dafür vor potentiell Gleichgesinnten rechtfertigen müssen, als Bürger und Mitglied der Piraten meinen Unmut über den Sicherheitsterror der konservativen Kräfte rund um CDU/FDP/SPD und Grüne zu äußern.

Heute, ein paar Tage später und einigen Nachdenken, stellt sich mir die Frage, was dieser immer wieder beobachtete Beißreflex von einigen Bürgerrechtlern, Netzaktivisten und Publizisten gegen die Piraten eigentlich soll?

Ja, man kann die Piraten kritisieren. Sie machen vieles immer noch falsch, sind manchmal ungeschickt, manchmal dumm, manchmal peinlich.

Dennoch sei eine Frage an all jene gestellt, eine einzige:

Wird sich die Bundesrepublik mit dem Einzug der Piraten in den Bundestag nicht vielleicht doch ein wenig ändern? Hin zu etwas mehr Transparenz? Zu einer freieren Gesellschaft? Zu mehr Toleranz? Und ist das Fenster dazu vielleicht nur jetzt offen?

Oder seid ihr alle so in eurem Feindbild fixiert, daß ihr Angst habt, wenn sich etwas in der Bundesrepublik ändert, würden euch eure schön zurechtgelegten Tiraden auf die, achso rückständige, Gesellschaft um die Ohren fliegen? Habt ihr Euch vielleicht eingerichtet nur Kritiker zu sein?

Ich will gestalten, und hoffe, ihr macht mit.