Sonntag, 23. Februar 2014

Ein Schritt vor, zwei zurück? Oder drei vor? – Auseinandersetzung mit dem Entwurf Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum Leipzig – Teil 3

Quelle: commons.wikimedia.org
Im ersten Teil meines Kommentars zum Entwurf des Stadtentwicklungsplans Verkehr der Stadt Leipzig hatte ich mich auf die ersten Abschnitte »Allgemeine Planungsgrundsätze«, »Beteiligung der Öffentlichkeit« und »Rahmenbedingungen« bezogen. Im zweiten ging ich auf den Abschnitt »Mobilität für alle« ein. Ergänzend sei an der Stelle noch darauf hingewiesen, daß die dort erwähnten Maßnahmen nicht nur Schwerbehinderten helfen, sondern allen Einwohnern und Besuchern Leipzigs Erleichterung bringen.

Übergreifende Themen: Verkehr umweltverträglich gestalten


Hatte ich schon erwähnt, daß dieser Entwurf des Stadtentwicklungsplanes Verkehr extrem grünlastig ist? Im folgenden möchte ich auf einige Aussagen eingehen.

Unter dem Punkt »Ausgangsbedingungen« findet sich relativ am Anfang der erwähnenswerte Satz: "Nach aktuellen Prognosen wird die Verkehrsbelastung durch den motorisierten Individualverkehr in den kommenden Jahren nicht mehr nennenswert zunehmen…"

Diese Aussage sollte man gut im Hinterkopf behalten, wenn man die folgenden Abschnitte im Entwurf liest.

Dort heißt es weiter: "Hervorzuheben ist hierbei die 2011 eingerichtete Umweltzone, […] eine deutliche Entlastung erreicht werden."

Diese Aussage ist so nicht überprüfbar. In dem Bericht findet sich an der Stelle ein Diagramm, welches die vermeintlich entlastende Wirkung der Umweltzone untermauern soll. Dieses Diagramm zeigt zum einen nur den Zeitraum 2008-2011, so daß ein Vergleich der Wirksamkeit nicht möglich ist.

Zum anderen räumt selbst die Sprecherin des Landesumweltamtes Frau Bernhard ein, daß frühestens nach 5 Jahren die Wirksamkeit überhaupt geprüft werden kann und daß Leipzig trotz Einrichtung der Umweltzone immer wieder die Grenzwerte der Feinstaubbelastung überschritten hat. Zwar ist der Anteil an kleinsten Rußpartikeln gesunken, doch das Ergebnis zeigt, daß die Feinstaubbelastung in Leipzig andere Ursachen als den Individualverkehr haben muß, zB. Baustellen und Wetterlage.

Interessanterweise will die Stadt Leipzig nun die Standorte einiger Meßstellen verändern, ein Schelm der böses dabei denkt.

Mit dem Lärmaktionsplan hat Leipzig erstmals kartiert, wo die größte Lärmbelastung entsteht und auch die Verursacher benannt (vor allem veraltete LVB Fahrzeuge und Gleiskörper). Dieser Plan bietet die Möglichkeit zukünftig die Wirksamkeit von Lärmschutzmaßnahmen zu evaluieren.

Leider werden im Entwurfspapier des Verkehrsplans die ökologischen Maßnahmen einseitig benannt, so sieht das Papier vorrangig Verkehrsvermeidung- und Verlagerung vor und bereits an zweiter Stelle wird die "verstärkte Anordnung von Tempo 30 auch an Hauptverkehrsstraßen…" gefordert.
Quelle: commons.wikimedia.org

Gerade dies halte ich für einen Riesenfehler, da durch den dann provozierten Stop-and-Go-Verkehr eine stärkere Umweltbelastung der Anwohner und erhöhte Stressbelastung der Verkehrsteilnehmer einhergeht. Vielleicht spielen im Plan auch versteckte haushaltspolitische Überlegungen eine Rolle…

Wer wirklich den Verkehr umweltverträglicher und sicherer gestalten möchte, der sollte darauf hinwirken, daß Verkehr möglichst gleichmäßig fließt und die Stressbelastung niedrig gehalten wird.

Ich würde daher plädieren, daß man auf den Hauptverkehrsadern den Verkehr möglichst flüssig hält und vielleicht lieber in Grüne-Welle oder Richtgeschwindigkeitsanzeigen investiert, statt Geld für neue Tempo30-Schilder zu verpulvern.

Übrigens sind auch für Wohngebiete Tempo30-Zonen nicht sinnvoll, wenn man sich die Studien aus den Niederlanden anschaut, die in Experimenten belegt haben, daß durch den Wegfall von Beschilderungen und Fahrbahnmarkierungen alle Verkehrsteilnehmer einander mit mehr Respekt und gegenseitiger Rücksichtsnahme begegnen. Der nette Nebeneffekt wäre die Einsparung von bis zu 200€ pro Schild – Geld, was an anderer Stelle sinnvoller verwendet werden könnte.

Richtig ist, daß durch ein auf alle Verkehrsarten, inklusive Fußgänger, abgestimmtes Gesamtkonzept auch die Umweltbelastung reduziert wird. Denn wenn man kurze Wege gern auch mal zu Fuß geht, kann das Auto zu Hause bleiben.

In dem Zusammenhang sollten wir in Leipzig auch dringend darüber nachdenken, ob für unsere Stadt durch die Einführung des fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehrs die Attraktivität desselben für die Einwohner eher gesteigert werden kann, als mit den im Plan sonst noch erwähnten Maßnahmen. Wenn man sich nicht erst um ein Ticket Gedanken machen muß, sondern einfach "mal ebend" in die Bahn einsteigen kann, und diese Bahn dann auch öfter als alle 15min kommt, dürfte die angestrebte Überzeugungsarbeit auf fruchtbareren Boden fallen.



Mittwoch, 19. Februar 2014

Ein Schritt vor, zwei zurück? Oder drei vor? – Auseinandersetzung mit dem Entwurf Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum Leipzig – Teil 2

Im ersten Teil meines Kommentars zum Entwurf des Stadtentwicklungsplans Verkehr der Stadt Leipzig hatte ich mich auf die ersten Abschnitte »Allgemeine Planungsgrundsätze«, »Beteiligung der Öffentlichkeit« und »Rahmenbedingungen« bezogen. Hier möchte ich nun die nächsten Abschnitte kommentieren.

Übergreifende Themen: Mobilität für Alle


Ganz dem Gedanken der Teilhabe für alle folgend, erklärt sich die Stadt mit Verweis auf den Stadtratsbeschluss vom 16.10.2002 und dem damit verbundenen Beitritt zur Barceloner Erklärung "Die Stadt und ihre Behinderungen" bereit, das auch in der Zukunft "alle gestalteten Lebensbereiche für alle Menschen ohne fremde Hilfezugänglich sein sollen".

Interessant ist neben der Zahl von ca. 7% der anerkannten Schwerbehinderungen, daß die Stadt in dem Entwurf davon ausgeht, das über einViertel der Bewohner Leipzigs mobilitätseingeschränkt ist.

Ich finde diese Offenheit sehr bemerkenswert, insbesondere weil auch die Maßnahmen zur Erhöhung der Teilhabe bereits in dem Plan sauber aufgelistet sind: Sicherung der Mindestbreite der Fußwege, Vermeidung von Hochborden, Stufen und anderen Barrieren (einschliesslich Fahrzeuge der öffentlichen Verkehrsnetze).

Unter dem Punkt »Bisherige Maßnahmen« wird aber behauptet, daß bei der LVB 90% (am Wochenende 100%) der Straßenbahnzüge mit Niederflurwagen unterwegs sind.

Diese Behauptung ist sachlich und nachweislich falsch. Ich selbst bin familiär am Wochenende oft mit Rollstuhl unterwegs. Und zum Beispiel die Linie 8 fährt nachweisbar fast nur mit Tatra-Wagen alter Bauart, so daß kein Einstieg mit Rollstuhl (oder auch Kinderwagen oder auch nur mit Rollator) möglich ist.

Nun, die Stadt will bis 2015 die Tatras ersetzt haben, Zeit wird es!

Noch ein Punkt, der gerade kurz nach der Eröffnung des neuen S-Bahn Netzes für Unmut sorgte war die Funktionsuntüchtigkeit der Fahrstühle und fehlende Rampen von und zu den Bahnsteigen. Mittlerweile hat sich die Situation entspannt.  Dennoch sollte die Stadt Leipzig hier zukünftig sicherstellen, daß auch im Winter diese neuralgischen Punkte nicht vergessen werden. Wenn man als Rollstuhlfahrer dann in der Pampa steht und nicht vom Gleis wegkommt und auf die nächste  S-Bahn dann 30min warten muß, ist das alles andere als witzig!

Gleiches Augenmerk verdienen hier insbesondere in der Innenstadt die Blindenleitsysteme, die oftmals durch Stände und Freisitze zugestellt sind. Wäre schön, wenn auch diese Aspekte zukünftig von Haus aus etwas mehr Aufmerksamkeit verdienen!

Mehr zum Rest des Planes dann demnächst.

Dienstag, 11. Februar 2014

Sachsen – der Bürgerrechtsflügel der Grünen ist tot!

Freistaat Sachsen; Wikimedia Commons

Erinnert sich noch wer an '89? 


Ich frage das in erster Linie als Leipziger, weil hier in Leipzig mit der Friedlichen Revolution die Bürgerrechtsbewegung der DDR ihren Höhepunkt fand.

Zur Wendezeit schlossen sich am 7. Februar 1990 die Bürgerrechtsbewegungen um Neues Forum, Initiative Frieden und Menschenrechte und Demokratie jetzt zur Liste Bündnis 90 zusammen um sich bei der letzten Volkskammerwahl der DDR zur Wahl zu stellen.

Aus dieser losen Vereinigung entstand im September 1991 die Partei Bündnis 90, die sich in Sachsen zur gleichen Zeit schon mit den Grünen zusammentat, und bundesweit 1993 zu Bündnis 90/Die Grünen zusammenschloss.

In jener Zeit bis weit in die 2000-er wurden die Grünen nicht müde immer wieder diesen Akt hervorzuheben, wenn es galt sich als Bürgerrechtspartei zu profilieren.

Doch in Sachsen ticken die Uhren mittlerweile anders


Ich selbst durfte immer wieder miterleben, wie Johannes Lichdi aus Dresden, und Jürgen Kasek, sowie Monika Lazaar aus Leipzig oft vergeblich versuchten die Bürgerrechtsfahne oben zu halten.

Gerade den ersten beiden ist es zu verdanken, daß überparteiliche Initiativen zusammen mit Piraten und Bürgerrechtsgruppen
möglich wurden.

Dafür an der Stelle ein Dickes Danke!

Gedankenspiele Machtergreifung statt Opposition


Leider war es so, daß bei den Grünen, vorallem in Leipzig, der Bürgerrechtsgedanke immer weniger eine Rolle spielte und oft auch Außenstehende von den strategischen Gedankenspielen einer Schwarz-Grünen Landesregierung nach hessischem Vorbild Kenntnis bekamen.

Ich hatte bereits im November 2012 auf Twitter nachgefragt, weil mir der Näherungskurs der Grünen vor allem in Sachsen aufgefallen war.

Heute nun schrieb der Landtagsabgeordnete Lichdi, daß er nicht erneut für die Grünen für eine Landtagskandidatur zur Verfügung steht und begründet dies mit einer Abkehr seiner Partei von den Bürgerrechswurzeln.

Damit verbleibt von den Grünen letztlich nur der Mythos einer Umweltpartei, die mit plakativen Forderungen nach Verboten von diesem und jenem sehr gut zum konservativen Profil einer tiefschwarzen CDU passt.

Kurzum, bis auf wenige Einzelpersonen, werden wir, wenn die Piratenpartei nicht in den Landtag einzieht, keine politische Kraft im Landtag Sachsen mehr haben, die sich vorrangig für den freien Menschen, für seine Grundrechte  und eine neue Aufklärung einsetzen wird.

Sachsen – weder liberal, noch freiheitsliebend, der Sachse – helle und höflich. Das war einmal… :(
 

  

Freitag, 7. Februar 2014

Ein Schritt vor, zwei zurück? Oder drei vor? – Auseinandersetzung mit dem Entwurf Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum Leipzig

Letzten Monat stellte unsere Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau den Entwurf für eine Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans Verkehr und öffentlicher Raum Leipzig (STEP Verkehr) vor.

Die ersten Eckpunkte versprechen großen Diskussionsbedarf, der ganze Plan liest sich wie eine Ode an die Grünen, enthält viel Richtiges, auch Überraschendes – geht aber an die Erfordernisse einer Großstadt manchmal auch vorbei.

Im folgenden versuche ich den Plan, immerhin ein 45MB großes PDF, zu kommentieren und einen kleinen Beitrag zur Aufklärung über Positives, Durchdachtes zu leisten und Alternativen ins Gespräch zu bringen.

Jeder Bürger der Stadt Leipzig kann seine Ergänzungen und Anmerkungen direkt bei der Stadt auf der Webseite http://www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/verkehrsplanung/  hinterlassen.

Meine Kommentare folgen der Gliederung im Originaldokument und sind auf mehrere Blogposts aufgeteilt.

Allgemeine Planungsgrundsätze


Dieser erste Abschnitt ist eine Einleitung, welche Ziele die Stadt in der Zukunft verfolgen wird.
Positiv ist zu vermerken, daß in dem Papier als Ziel die "Stadt der kurzen Wege" propagiert wird. In späteren Punkten wird darauf im Detail eingegangen.

Nur soviel sei verraten, Leipzig möchte daraufhin wirken, daß vor allem eine Mischbebauung bevorzugt wird und Fußgänger und Fahrradverkehr eine stärkere Beachtung finden. Dazu sollen bis 2025 der  Anteil der zurückgelegten Wege auf 27% Fußgängerverkehr, 20% Fahrrad- und 23% ÖPN-Verkehr gesteigert werden.

Was mir persönlich auch sehr gut gefällt, ist, daß eine freundliche, Lebensqualität bietende Stadt als Standortfaktor der Wirtschaftsförderung angesehen wird. Konkret heißt es im Dokument:

Qualitätsvoll gestaltete öffentliche Räume leisten darüber hinaus einen Beitrag zum "Image" der Stadt als Wirtschafts- und Wohnstandort und zum Wohlbefinden Ihrer Bewohner und Besucher.

Leider ist bereits in dieser Einleitung der Kraftverkehr in dem Maße ausgeklammert, daß eine wirtschaftliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann. Hier scheint mir die Handschrift der Grünen Baubürgermeisterin zu deutlich durchzuschimmern. Eine ausgewogenere Betrachtung wäre hier wünschenswert gewesen.

Beteiligung der Öffentlichkeit an der Verkehrsplanung


In diesem Teil werden die Erfahrungen mit dem Runden Tisch und den Stadtratsfraktionen geteilt, die Fachgutachten erwähnt (die auch auf der og. Webseite veröffentlicht sind), und der Ideenwettbewerb "Ideen für den Stadtverkehr" hervorgehoben.

Insgesamt ist es zu begrüßen, daß die Bürger Leipzigs bis zum 7. März Gelegenheit bekommen, den neuen STEP-Entwurf zu diskutieren und Vorschläge zurückzumelden.

Begrüßenswert wäre hier, daß die Öffentlichkeit noch stärker auf diese Beteiligungsmöglichkeit hingewiesen wird und  auch Möglichkeiten der direkten Bürgerbeteiligung über grundsätzliche Entscheidungen zur Verkehrsplanung geprüft werden.

Rahmenbedingungen


Unter diesem Abschnitt werden einige sehr interessante Statistiken der Bevölkerungsentwicklung, der Mobilität im Vergleich zu anderen Städten genannt. Hervorzuheben ist, daß die zurückgelegten Wege seit 2008 von 6,4km auf  nun 4,2km verkürzt sind und daß 50% aller mit dem KFZ zurückgelegten Wege weniger als 5km betrugen.

Allein aus diesem Grunde wäre eine mutige Initiative zur Einführung eines fahrscheinlosen Straßenbahn- und Omnibusverkehr (ÖPNV-Flatrate) mehr als geboten. 

Besonders hervorzuheben sind auch die starken Pendlerbewegungen, die sich auf 2/3 von Umland in die Stadt und 1/3 von Stadt ins Umland aufteilen. Auch dies ein Argument zur stärkeren Vernetzung der ÖPNV-Systeme von Stadt und Umland. Auch hier würde eine Tarifvereinfachung des öffentlichen Personennahverkehrs zu dessen Attraktivität beitragen.

Da bis 2025 die Zahl der Kinder und Jugendlichen auf +50% prognostiziert wird, und auch die Zahl der Jugendlichen in Ausbildung um 40% zunehmen soll, muß an der Schraube eines bezahlbaren und leistungsfähigen Nahverkehrs gedreht werden.

Der Report scheint mir in der Hinsicht doch etwas zu zaghaft zu sein, insofern bleibt zu hoffen, daß die Leipziger Piraten den zukünftigen Stadtrat mehr Mut einflößen.

Mehr demnächst…