Mittwoch, 16. Juli 2014

Politikleitfaden – Wie organisiere ich mir eine Hausmacht

Quelle: Wikipedia

Dieses Blog soll ja auch lehrreich sein und Erfahrungen und Beobachtungen aus dem Innenleben von Politik vermitteln.

Voraussetzung für diesen Leitfaden ist der Basisgrundkurs: Wie erlange ich ein Mandat bei den Piraten (von Jan Leutert)

Im folgenden für alle Machthungrigen (das muß nichts schlimmes sein) der Politikleitfaden »Wie organisiere ich mir eine Hausmacht«

Warte auf den richtigen Augenblick!


Um eine Hausmacht organisieren zu können, trainiere Deine Instinkte darauf, kritische Momente zu erkennen.

Wenn gerade große Teile Deines Vereins oder Deiner Partei mit Entscheidungen des Vorstandes unzufrieden sind, ist das meist ein guter Indikator!

Schlage nie unvorbereitet zu! Nur die Unzufriedenen werden sich nach Alternativen umsuchen. Ohne die kritischen Momente wird Dir keiner folgen!

Du brauchst initiale Mitstreiter!


Der Ausdruck "Verschwörer" ist völlig unangemessen! Wichtig ist, dass ihr vorher möglichst wenig zusammen gesehen wurdet. Sichere Dir die Loyalität, ein Hinweis auf einen dunklen Fleck wäre bestimmt irgendwann einmal von Nutzen.

Wenn Du einen Mitstreiter gefunden hast, müsst ihr Euch auch verständigen können. Nichts ist schädlicher als wenn Ihr Euch widersprecht oder Du gar auf einmal alleine da stehst. Ihr braucht also einen nicht öffentlichen Kommunikationskanal. Handykommunikation  wäre ok.

Achte darauf, dass Du nie was schriftliches hinterlässt.

 

Der richtige Name!


Das entscheidende ist der Name Deiner Gruppe. Er sollte stark positiv besetzt sein und eine polarisierende Wirkung haben. Es muss bei jedem ausserhalb der Gruppe das Gefühl hochkommen: Ich will da rein!

Ganz gut funktionieren Selbstzuschreibungen, die die ohnehin vorhandene Identität noch leicht überhöhen.  Gute Attribute sind zB.

  • bei Konservativen - Wertkonservative,
  • bei Liberalen - die Progressiven,
  • bei Modernen - die Fortschrittsdenker,
  • bei Sozialen, die Menschenfreundlichen.
Besser funktioniert das ganze noch, wenn Du die Attribute mit Begriffen, die eine größere Gruppe beschreiben kombinierst.

Verwende zum Beispiel: Plattform, Flügel, Gemeinschaft. Vermeide mit Engheit verwandte Begriffe, wie: Zirkel, Gruppe, Kreis.

Hier ein paar bewährte Beispiele:

  • Gemeinschaft der Menschenfreunde
  • Wertkonservative Plattform
  • Progressiver Flügel


Aufnahme von Mitgliedern!


Du musst den Aufnahmeprozess für Deine Gruppe so gestalten, dass er exklusiv wirkt. Mach ein Geheimnis drum! Verwende ggf. "den hohen Verwaltungsaufwand" und "den riesen Ansturm" als Mittel, diese Exklusivität zu unterstreichen!

Achte bei der Aufnahme darauf, dass möglichst nur Dir Wohlgesinnte in die Gruppe kommen und Kritiker draussen gehalten werden. Bewährt hat sich dafür das Konzept von Bürgen (Aufnahme nur, wenn Neumitglied zwei Bürgen aus der Gruppe mitbringt) und die Möglichkeit von Vetos.


Transparenz!


Nein, keine Angst! Jeder in Deiner Gruppe sollte sich verpflichten, dass alles was in der Gruppe gesagt wird, auch in der Gruppe bleibt. Störenfriede fliegen raus! Wenn es Probleme gibt, Du kümmerst dich drum! Wenn es Wünsche gibt, Du bist der Richtige! In der Gruppe kommunizierst Du mit den Ausreißern bilateral.

Du bist der Beschützer Deiner Schäfchen, sei Dir dessen bewusst!

Warum heisst dieser Abschnitt "Transparenz"? Nun, um Deine Gruppe zu schützen, benötigst Du auf der einen Seite Exklusivität. 
Auf der anderen Seite wissen die, die nicht zur Gruppe gehören ja nichts über die Gruppe.

Du solltest daher regelmässig Informationsbröckchen nach Aussen geben. Diese stärken das Bild: in Deiner Gruppe wird was ganz tolles gemacht, da ist Dynamik drin. Das erhöht dann auch das Wir-Gefühl der Gruppe. Und ausserdem wehrt es Kritiker ab, die Euch vorwerfen, ihr würdet nichts machen oder gar klüngeln.

Wehre Kritiker ab!


Wenn man sich eine Hausmacht aufbaut, ist es nur natürlich, dass dies Kritiker auf den Plan ruft. Grundsätzlich ist das ersteinmal ein gutes Zeichen, da es Dir anzeigt, dass Du auf dem richtigen Weg bist.

Lass Dich also nicht beirren!

Ein Vorwurf, der oft kommen wird, ist, wie oben schon erwähnt, der der Intransparenz. Neben den Informationsbröckchen, ist es eine gute Strategie, auf (vermeintliche) Angriffe auf die Gruppe hinzuweisen, und Deine Gruppe als Schutzraum für die Leisen und Schwachen darzustellen.

Wenn das allein nicht zieht, gib ein unbestimmtes Versprechen auf die Zukunft ab, die Gruppe für alle öffnen zu wollen, sobald bestimmte Rahmenbedingungen eingetreten seien. Diese Rahmenbedingungen müssen von Dir natürlich so diffus gestaltet sein, dass Du später nicht darauf festgenagelt werden kannst.

Manche Kritiker sind sehr hartknäckig. Versucht in der Gruppe herauszufinden, welche Themen seine Herzblutthemen sind. Arbeitet da einmal was aus, geht damit nach draussen und erklärt, nein, fragt, warum er die Gruppe kritisiert? Sie würde schliesslich sogar sein Thema bearbeiten, wo denn bitte seine Ausarbeitung wäre? Und ob es denn nicht wichtigeres (nämlich sein Thema) zu tun gäbe?

 

Sichere die Kommunikationshoheit!


Wenn Deine Gruppe eine bestimmte Größe erreicht hat, solltest Du beginnen, Dir die externe Kommunikation zu sichern.
Übergehe dazu einfach den bisherigen Vorstand und trete als Sprecher der Gruppe auf.

Wenn ihr die Gruppenmitgliedschaft pro forma auch für Nichtmitglieder Deines Vereins/Partei öffnet, sicherst Du Dir extra Legitimität (da du ja auch für diese mitsprichst, was der Vorstand ja nicht tun kann). Vor diesem Hintergrund ist es ganz nützlich, wenn Deine Gruppe Dich "demokratisch" gewählt hat. Denn wer will schon Demokratie infrage stellen?

So gehst Du mit anderen Machtmenschen um!

Betone den integrativen Charakter Deiner Gruppe, kündige Veränderungen an! Im Zweifel lade Deinen Gegenspieler ein, locke ihn mit wichtigen Aufgaben, biete  ihm Infrastruktur an, betone nach Aussen das Gemeinsame!

Letztlich muss Dir klar sein, derjenige ist genauso Machtmensch wie Du!

Wenn Du ihn also nicht bekämpfen kannst, umarme ihn! Zumindest solange es Dir nützt.

Versuche herauszufinden, welche Leute ihn supporten, umgarne Sie! Gewinne ihr Vertrauen!

Und irgendwann ist die Zeit gekommen. Vertrau auf Dich, Deine Instinkte, Deine Fähigkeiten!




Sonntag, 6. Juli 2014

Piraten, wie weiter – eine Antwort auf Bernhard

Eine Antwort/Ergänzung auf Bernhard Kerns Blogbeitrag "Piraten, Wie weiter?".

Hi Bernhard,
da ich ja nun einige Jährchen dabei bin, möchte ich noch ein paar Punkte ergänzen.

1. Ein Großteil der Piraten reflektiert ihr eigenes Handeln nicht. Durch die um 2012 eingeführte Flausch-Un-Kultur wurde es unmöglich gemacht, Kritik in der Sache anzubringen. Es zählte nur das sich Wohlfühlen in der eigenen Peergroup. Da zwischen Kritik an Handlungen und Kritik an Personen nicht differenziert wurde, staute sich a) Frust bei denen auf, die zurecht Mißstände ansprachen, aber nicht gehört wurden und b) fielen einige Piraten spätestens mit dem aBPT aus allen Wolken, weil ihre Realität gegen die Realität auf dem aBPT prallte.

2. Durch die Wohlfühlatmosphäre rum um die jeweiligen Peergroups (nehmen wir zB. Dresden-Neustadt) ergab es sich, daß Neuzugänge sich nicht inhaltlich mit den Piraten auseinandersetzen, sondern wegen des sozialen Miteinanders. Das wäre an sich voll okay, wenn es sich um einen Stadtteilverein handeln würde. Für eine Partei ist dies tödlich, da nach und nach das apolitische Socializing wichtiger wurde, als das Sichauseinandersetzen mit dem Programm und den diesem zugrunde liegenden Ideen. In der Folge wurde von den apolitischen Mitgliedern politische Statements auf lautstarke Wortführer oder auf Wortführer mit everybodies darling Charme delegiert. Da wie oben geschildert, gleichsam eine kritische Auseinandersetzung mit Politik (auch innerparteilich) nicht stattfand, führte dies zu einer Arbeitsweise, die mehr auf symbolischen Bildern, denn auf Verstehen von Problemen und dem Ableiten von Lösungsvorschlägen beruhte.

3. Sehr schön ist dieses symbolhafte Arbeiten in dem, im Laufe der Zeit immer wiedermal auf Parteitagen zu hörenden, Statement “Aber wir haben ja sonst kein Programm” wiederzufinden. Inhaltliche Arbeit sah im Landesverband Sachsen daher so aus, daß irgendjemand voller Langeweile über eine Webseite, zB. von Amnesty surfte, mit “Guck mal hier, das klingt doch toll” sich den Text 1:1 kopierte und als Antrag an den LPT einreichte.
Als Begründung wurde dann Copy-Remix-Share hergeholt, faktisch fand aber eine Einordnung in das bestehende Programm, eine Herleitung, warum wir das fordern sollten nicht statt. Auf den Parteitagen hing dann das Wohl und Wehe dieses Antrags nur davon ab, ob die obengenannten Wortführer der Peergroup das gut fanden oder nicht.

4. Im Nachgang von Bombergate zeigte sich der mangelnde Reflexionswillen und die apolitische Einstellung an mehreren Punkten. Zum einen wurde nicht zur Kenntnis genommen, daß nicht Anne Helms Brüste – Aktion der Auslöser der tiefen Krise war. Der Konflikt, der sich schon mit dem Flaggengate abzeichnete ist nach meinem Verständnis darauf zurückzuführen, daß eine schleichende Verletzung des common sense der Piraten (an der Stelle sei erstmal egal, ob bewusst induziert oder nicht) stattfand. Dieser common sense war, daß es bei Piraten egal war, woher Du kommst, wer Du bist, Hauptsache Du fühlst und agierst wie ein Pirat. Durch das Peergroupfeeling einerseits, aber auch durch stetig wiederholte Mantra von “Piraten müssen sich positionieren, sonst sind sie Nazi” wurde die Heterogenität, die bisher Stärke war, durch Konformismusdruck in Frage gestellt.
Deutlich wurde und wird dies, wenn man jedem Mitglied mal die Frage stellt: “Warum bist Du Mitglied bei Piraten geworden?”

Als Analogie könnten wir uns mal kurz vorstellen, es gäbe da einen Fußballverein und der sucht Leute. Du spielst gerne Fußball, trittst ein, engagierst Dich mit Herzblut, hilfst beim Rasen pflanzen, Aufbauen der Umzugskabinen und machst Werbung für Deinen Verein. Du bist jedes Wochenende auf dem Platz, und freust Dich, weil Fußball hier seine Heimat gefunden hat. Eines Tages kommst Du hin, da steht eine Delegation Deiner Teammitglieder am Eingang und verteilt Regelheftchen. Du sollst demnach nicht mehr in 11-er Aufstellung spielen, Fußball und Tore kommen weg, ein Schläger wird Dir in die Hand gedrückt, denn ab heute ist Golf das Spiel der Wahl.
Das ist leicht überspitzt der Zustand der Piraten in diesen Tagen. Und der aBPT im Vergleich die Vollversammlung, die den Golffußballern sagt, “Nö, so geht das nicht…”. Nur, damit das nicht falsch rüberkommt, ich mag viele der “Golffußballer”, es sind da echt tolle Menschen dabei.

5. Jetzt noch ein letztes Wort dazu, warum die Gründung der “Progressiven Plattform” ein Affront ist. Zum ersten ist wäre da der Name, der suggeriert, alle Piraten, die nicht unter dieser Plattform versammelt wären, seien nicht progressiv, sondern hinterwäldlerisch. Wer nicht spalten will, sollte auch nicht einen solchen Namen wählen. Man hätte ja auch “Halles Helden” wählen können.
Der zweite Punkt ist der, daß im Rahmen der Progressiven Plattform die ganze Unehrlichkeit einzelner Sprachrohre zum Ausdruck kommt. Ich kann mich sehr gut erinnern, welch Aufschrei von etlichen kam, als sich vor einem (?) Jahr das Frankfurter Kollegium gegründet hatte. Von Intransparenz, Mauschelei, von Verrat an der Partei war die Rede. Und jetzt? Die gleichen Schreihälse von damals nutzen die gleichen Methoden und agieren ebenfalls intransparent. Nehmen wir einen der Wortführer, nennen wir ihn August, immer wieder mit Forderungen nach “Transparenz” und nach “SMV” aufgetreten, organisiert sich und seine Peergroup nicht einsehbar über bilaterale Gespräche und unter der Hand Absprachen. Er gehört zur Zeit- und Geldelite, fordert SMV und reist beständig umher um sich bekanntzumachen. Progressiv? Nein.

Ich hoffe, daß nach und nach jedem Piraten klar wird, dass sich was ändern muß. Wir müssen aufhören Forderungen zu stellen, die wir selber nicht bereit sind zu leben. Wenn wir “Trennung von Amt und Mandat” fordern, dann müssen wir es leben. Wenn wir “Gleichberechtigte Teilhabe” fordern, dann müssen Treffen so gestaltet sein, daß jeder Interessierte auch in der Lage ist, sich darauf einzurichten (dann kann man nicht 3 Tage vor der Angst erst mitteilen, dass dann ein Treffen ist). Wenn wir feststellen, und zwar nicht nur für uns, dass Bildung das wichtigste Thema zB. im Wahlkampf ist, dann sollte Bildung auch auf der Agenda sein und nicht ‘ne Magnetschwebebahn, wo sich nachweislich keiner mit möglichen Kosten, Nutzen und Randbedingungen auseinander gesetzt hat. Wenn wir “verschiedene Lebensentwürfe akzeptieren”, dann muß Schluss sein mit Konformitätsdruck und wenn wir “Nazis bekämpfen” wollen, dann bitte nicht nur indem man ritualisiert zum 13. Februar Fahnen schwenkt, sondern in dem man die Ursachen angeht.

Kurzum, ich wünsche mir, daß Piraten glaubhaft sind, für Symbolpolitik hätte ich auch zu den Grünen gehen können. Und wenn wir statt selbst zu denken und kritisch zu sein, lieber eine Wohlfühlatmosphäre haben wollen, dann wäre ein Kaffeekränzchen beim CDU Ortsbeirat die bessere Wahl gewesen.

So, und nun habe ich Dank Dir, Bernhard, mir meine Piratenseele vom Leib geschrieben. Wird es was bringen? Ich hoffe es, aber ich zweifele.

Beste Grüße Andreas